Work-Life-Balance. Ist das der richtige Ansatz um uns vor Überforderung zu schützen?

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17.08.18 16:12

Das Konzept „Work-Life-Balance“, also eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben, wurde Ende der neunziger Jahre populär. Grund war, dass Arbeit und Leben sich immer mehr vermischten. Mit den neuen Technologien entstand die Möglichkeit, das Zuhause zum Arbeitsplatz zu machen und den Arbeitsplatz im Gegenzug für Privates zu nutzen. Entgrenzung wird das auch oft genannt. Zunächst sah es so aus, als wäre das eine tolle Errungenschaft. Ich erinnere mich noch genau, wie wir damals als junge Berater zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar waren und das regelrecht genossen. Heute, in Zeiten von Cloud Computing, ist diese Durchmischung noch viel konsequenter möglich. Nicht ohne Risiko, denn die Gefahr auszubrennen, steigt dadurch natürlich.

Neben den technologischen Möglichkeiten gibt es noch andere Ursachen, die die Notwendigkeit einer Ausbalancierung zwischen Arbeit und Leben in den Fokus rücken. Dazu zählen die Erwartung von Kunden, dass ihre Service-Dienstleister digital ständig erreichbar sind und schnell reagieren, die Auflösung von klassischen Familienstrukturen, in denen sich eine Person allein um Familiäres kümmert, sowie eine zunehmende Arbeitsverdichtung – also die Notwendigkeit, in immer kürzeren Zeiträumen immer mehr Produktivität zu generieren. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Anforderungen sowohl an das Berufs-, als auch an das Privatleben steigen.

Als Folge davon ist es der nachwachsenden Generation wichtig, dass sie genug Zeit hat für Freiräume, für Familiäres, Hobbys und persönliche Weiterentwicklung. Schon in Bewerbungsgesprächen wird das oft eingefordert, was bei älteren Entscheidern oft zu, sagen wir, einer hochgezogenen Augenbraue führt. „Work-Life-Balance“ ist über die Jahre zu DEM Schlagwort für Arbeitszufriedenheit geworden. In einem meiner letzten Beiträge wurde sie gemäß einer LinkedIn-Studie sogar als zweitwichtigster Grund genannt, um den Arbeitgeber zu wechseln! Aber ist das überhaupt der richtige Ansatz, um uns vor Überforderung zu schützen? Es gibt einige Gegenargumente, die ich für Sie hier einmal gesammelt habe, um sie zur Diskussion zu stellen und Ansätze zu bieten, die zum Nachdenken anregen.

1. Es gibt kein „richtiges“ Verhältnis zwischen Arbeit und Leben

Der Begriff „Wok-Life-Balance“ impliziert ja, dass es eine Art „richtige“, also allgemeingültige Ausgewogenheit zwischen den Bereichen Arbeit und Leben gäbe. So eine Art halbe-halbe. In Wahrheit ist die aber für jeden anders. Was dem einen zu viel Belastung ist, ist für den anderen kaum spürbar. Der eine braucht täglich viel Zeit mit der Familie und Freunden oder für seine Hobbys, dem anderen reicht ein ausgiebiges Telefonat pro Woche mit dem besten Freund oder ein intensives Wochenende voller Aktivitäten. „Work-Life-Balance“ ist also so individuell, dass es als Konzept gar nicht herhalten kann.

2. Die Konkurrenz zwischen Arbeit und Leben macht es schlimmer, nicht besser

In der Tat steckt in dem Begriff eine regelrechte Konkurrenz zwischen Arbeit und Leben. Mit anderen Worten: Wenn ich arbeite, dann lebe ich nicht. Und wenn ich lebe, dann darf ich nicht arbeiten. Für mich persönlich jedenfalls wäre beides furchtbar! Eine Arbeit, die ich mit meinem Leben ausbalancieren muss, wäre für mich nicht erstrebenswert. Und auch für Menschen, die das nicht ganz so sehen wie ich, gilt sicherlich: Das Gefühl, dass ihre Arbeit und ihr Leben etwas Unterschiedliches sind, macht die Belastung der Arbeit größer, und nicht kleiner.

3. Als Wissensarbeiter lassen sich Arbeit und Privates schwer trennen

Bei diesem Kritikpunkt kommt es natürlich darauf an, welche Arbeit jemand verrichtet. Mindestens für sogenannte Wissensarbeiter aber gilt: Ich kann ja mein Arbeitsgehirn nicht ausknipsen, weil ich gerade privat bin. Ebenso wenig kann ich meine privaten Gedanken von der Festplatte löschen, weil gerade Arbeitszeit ist. Wenn mir beim privaten Spaziergang eine gute Idee kommt, möchte ich die gern aussprechen oder digital festhalten, ohne das Gefühl zu haben, irgendeine Grenze zu überschreiten. Und auch andersherum kann ich mir natürlich auf der Arbeit eine Notiz machen, wenn mir die Idee für ein privates Geburtstagsgeschenk kommt – es vielleicht schnell im Internet bestellen. Für sehr umsetzungsorientierte Arbeiten wie zum Beispiel in einer Fabrik am Fließband gilt das so vielleicht nicht im selben Maße. Aber wir alle wissen, dass Arbeiten, die wenig Mitdenken erfordern und wenig Pausen erlauben weniger werden und Arbeiten mit Wissensanteilen und hoher Flexibilität zunehmen werden.

4. Arbeits- und Lebenswelten sind zu dynamisch für eine strikte Trennung

Einen Artikel über diesen Kritikpunkt teilte einer unserer Mitarbeiter kürzlich mit mir. (Danke dafür!). Er ist eine Steigerung von Punkt drei. Darin heißt es sinngemäß, dass gute und erfüllende Arbeit unser Dopaminsystem (also Belohnungssystem im Gehirn) ebenso anregt, wie ein erfülltes und schönes Privatleben. Als Folge davon verlangt uns Arbeit mehr ab, als wir eigentlich leisten können, ist sozusagen unersättlich. Das Gleiche gilt für das Privatleben. Und das heißt, dass Work-Life-Balance nur dann funktioniert, wenn beides unglücklich bleibt. Wir fliehen dann regelrecht aus unserem unerfüllten Arbeitsleben ins Private und von dort wieder zur Arbeit. Stattdessen solle man drei Beziehungen eingehen: Die zu seiner Arbeit, die zu seiner Familie und Freunden, und die zu sich selbst. Diese drei beständig zu erfüllen solle das eigentliche Ziel sein. Dann müsse man sie auch nicht ausbalancieren und damit gegenseitig schwächen. Das ist ein dynamischer Prozess, da alle „Beziehungspartner“ ja ständig im Wandel sind. Ich finde das einen interessanten Ansatz und nehme mir vor, hierüber mehr zu lesen. Das Stichwort dazu lautet „Work-Life-Dynamic“.

Ständige Reflexion aller Bereiche, statt Wettkampf zwischen Arbeit und Leben

Ich finde alle vier Punkte berechtigt. Der Begriff „Work-Life-Balance“ gehört zumindest kritisch hinterfragt. Richtig ist, dass wir nicht ständig über unsere Grenzen gehen dürfen. Die jüngeren Generationen sind schon sehr klug, wenn sie das zu verhindern versuchen. Richtig ist auch, dass das nicht mehr so selbstverständlich geht, wie früher, als Arbeit ausschließlich am Arbeitsplatz stattfinden konnte und so automatisch von Privatem getrennt war. Aber statt einem Wettkampf zwischen Privatem und Beruflichem und gar mir selbst als Person zu inszenieren, ist es sicherlich ein gesünderer Weg, in allen Bereichen ausreichend Zufriedenheit zu erlangen. Das ist gar kein so leichter Weg, denn wir müssen uns ja ständig fragen, ob die Arbeit und auch unser übriges Leben noch zu uns passen. Und gegebenenfalls etwas ändern.  Ich erinnere nur an die Auseinandersetzung mit der Frage: „Bin ich eine Führungskraft?“, die ich hier einmal aufschrieb. Oder an die Frage, ob man sein Arbeitsverhältnis kündigen sollte, oder nicht, worüber ich ebenfalls schon einmal schrieb (hier entlang). Oder eben, ob man zufrieden mit seinem Arbeitgeber ist. Diese und andere Fragen erfordern, dass wir unser Wohlbefinden, unsere Arbeit und unser Privatleben ständig reflektieren – nicht jedermanns Sache. Aber in unserer dynamischen Welt voller Möglichkeiten und Wandel sicherlich notwendig, um dem nahezukommen, was man mit „Work-Life-Balance“ eigentlich erreichen will: Nämlich das Gefühl, ein Leben zu leben, das man gut bewältigen kann. Oder was meinen Sie?

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