Führung in der Krise: Die spannenden Erkenntnisse des Polarforschers Shackleton (Teil 1)

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17.04.16 15:30

Ich verspreche Ihnen, hier kommt die spannendste Lektion für Führungskräfte, die Sie je gehört haben. Allerdings: Sie ist nicht brandaktuell. Sondern ziemlich genau hundert Jahre alt. Und sie geht so:

Ernest Shackleton war ein Polarforscher, der sich mit seinem Schiff “Endurance“ (Durchhaltvermögen) aufmachte, um als erster die Antarktis auf dem Landwege zu überqueren. Dafür rekrutierte er in der Zeitung eine Crew mit den folgenden Worten: „Men wanted for Hazardous Journey. Small wages, bitter cold, long months of complete darkness, constant danger, safe return doubtful. Honor and recognition in case of success." Klingt nach einer Stellenausschreibung, die nicht allzu viele Bewerber anzieht, wenn Sie mich fragen. Aber es bewarben sich Tausende, und Shackleton und seine rechte Hand Frank Wild suchten 25 Crew-Mitglieder aus. Inklusive blinder Passagiere waren es am Ende 28, die mitfuhren, man startete im Süden Georgiens.

Jeder für alle und der Chef für jeden

Die Fahrt dauerte 45 Tage, dann steckte das Schiff im Eis fest. Es war nichts zu machen, es ging nicht vor und nicht zurück. Die Crew war gefangen, und zwar in ziemlicher Enge. Denn sie hielten sich im einzig warmen Teil auf, dem Zwischendeck. Dort sann man nach Möglichkeiten, sich zu beschäftigen, mit einem Banjo, einer selbstgemachten Geige und einem irgendwie gebastelten Phonographen. Um die Moral zu stärken, gab Shackleton seinen Leuten ständige Aufgaben rund um die Pflege des Schiffes. Dabei achtete er sehr darauf, dass im Team gearbeitet und die Verantwortung gleichmäßig verteilt wurde. So kam es, dass auch gut ausgebildete Wissenschaftler zum Deckschrubben verdonnert wurden. Jeder absolvierte Nachtdienste und jeder war in der Lage, alle anfallenden Aufgaben zu übernehmen. Auf diese Weise vergingen 327 Tage, doch dann kam es noch viel schlimmer: Unter dem Druck des Eises barst das Schiff. Die Mannschaft rettete, was zu retten war, unter anderem drei Rettungsboote, und campierte fortan mehrere Monate auf einer Eisscholle. Die Stimmung war – Sie können es sich vorstellen – nicht immer gut. Eine Meuterei verhinderte Shackleton, indem er sich dem größten Störer intensiv annahm.

Es gehörte zu seinen herausragenden Führungsfähigkeiten, dass er sich der Persönlichkeit aller Crewmitglieder annahm. Er versuchte, sie zu verstehen und aus jeder noch so problematischen Schrulle einen Vorteil zu ziehen. Einer zum Beispiel stellte sich als notorischer Dieb heraus. Statt ihn zu bestrafen, machte er ihn zum Wachmann für die Schiffsausrüstung. In dieser Rolle wuchs der Mann förmlich über sich hinaus. Durch seine Empathie und seinen Willen, negative Energien auszumerzen, statt zu ignorieren, gelang es Shackleton, Streit, Grabenkämpfe und Arbeitsverweigerung zu vermeiden und seine Leute auf die jeweils für sie am besten geeignete Stelle zu setzen.

Optimismus und Pragmatismus

Und auch ein weiterer Ansatz sorgte dafür, dass die Moral des Teams nicht flöten ging: Eine gesunde Mischung aus Optimismus und Pragmatismus. Auch nach dem Bersten des Schiffes verlor er kein Wort über das Schicksal, das sie ereilt hatte. Er klagte nicht und suchte stets nach Möglichkeiten, die Situation zu retten. Dabei beschönigte er allerdings auch nichts. Als seine Männer ihren sinkenden Wertsachen und Büchern hinterherkletterten, verbot er dies, da es zu gefährlich und nicht nützlich war. Seine eigene, ihm wertvolle Bibel legte er dabei als erstes in den Schnee, um sie zurückzulassen.

Am 491sten Tag öffnete sich endlich das Eis. Die Männer konnten in ihre Rettungsboote steigen und fuhren damit nach Elephant Island, wo sie wiederum campierten. Shackleton selbst machte sich mit ein paar ausgewählten Crew-Mitgliedern auf ins 800 Meilen entfernte Georgien, wo er auf der falschen Seite ankam. So musste er mit der Mannschaft durch die eisigen Berge wandern, bis er endlich Hilfe holen konnte. Er klagte nicht. Klagte jemand anderes, fand er Möglichkeiten, ihm zu helfen. Niemals hat er eines seiner Crew-Mitglieder vor den anderen dafür be- oder gar verurteilt. Nach insgesamt 634 Tagen konnten auch die auf Elephant Island ausharrenden Mitglieder endlich gerettet werden. Einzig auf Grund von Shackletons Führungsqualitäten kamen alle wohlbehalten wieder zu Hause an.

Ganz anders als die Mitglieder einer anderen Expedition, die fast zeitgleich losfuhr, um die Wildnis Kanadas zu erforschen und ebenfalls im Eis stecken blieb. Die Crew um Vilhjalmur Stefansson zerstritt sich und entwickelte sich zu einer selbstbezogenen, um individuelle Vorteile kämpfende Gruppe, bei der Diebstahl, Betrug und Lügen zur Tagesordnung wurden. Von dieser Expedition starben elf Mitglieder, bevor sie gerettet werden konnte.

Nicht umsonst sind die Grundsätze zu Führung und Teamentwicklung nach Shackleton bis heute Bestandteil vieler Seminare und Workshops und ich möchte sie Ihnen hier vorstellen. Dieser Beitrag beginnt mit Shackletons Grundsätzen für die Entwicklung von Führungsqualitäten. Im zweiten Teil, der in zwei Wochen erscheint, erfahren Sie mehr über Shackletons Grundsätze für die Auswahl und Organisation eines Teams, für den Aufbau eines harmonischen Teams, für die Entfaltung individueller Begabungen sowie für das Krisenmanagement.

Grundsätze für die Entwicklung von Führungsqualitäten

  • Entwickeln Sie Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein gegenüber anderen. Sie haben einen größeren Einfluss auf das Leben Ihrer Mitarbeiter, als Sie sich vorstellen können.
  • Geben Sie einen frustrierenden Job nicht übereilig auf. Halten Sie daran fest, bis Sie in eine höhere Position aufsteigen können, und sammeln Sie in der Zwischenzeit alle Erfahrungen, die Ihnen dieser Job bietet.
  • Leisten Sie einen Beitrag zu einem optimistischen Arbeitsklima. Ein positiver und freundlicher Arbeitsplatz ist wichtig für die Produktivität.
  • Erweitern Sie Ihren kulturellen und gesellschaftlichen Horizont, über Ihre üblichen Erfahrungen hinaus, indem Sie lesen, sich mit den schönen Künsten befassen und gemeinnützig aktiv sind. Wenn Sie lernen, die Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, werden Sie Probleme im Arbeitsfeld flexibler lösen können.
  • Seien Sie in einer sich rasch verändernden Welt bereit, neue Wege auszuprobieren, neue Chancen zu ergreifen und sich neue Fertigkeiten anzueignen. Das Festhalten an alten Geschäftsmethoden führt letztlich, selbst wenn sich diese Methoden bisher als erfolgreich erwiesen haben, zu Stagnation.
  • Finden Sie einen Weg, um Rückschläge und Misserfolge in einen Vorteil für sich zu verwandeln. Dies könnte der richtige Zeitpunkt für einen eigenständigen Schritt nach vorn sein.
  • Halten Sie an Ihren Träumen fest. Anderen Menschen mögen diese riskant und extravagant erscheinen, Ihnen werden sie jedoch persönliche Erfüllung schenken.
  • Verfolgen Sie kühne Visionen und planen Sie Ihre Vorhaben sorgfältig. Wagen Sie es, neue Ansätze zu erproben. Seien Sie in Ihrem Vorgehen aber so gewissenhaft, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit hoch ist.
  • Lernen Sie aus Fehlern der Vergangenheit - Ihren eigenen und denen anderer. Manchmal sind schlechte Vorgesetzte und negative Erfahrungen die besten Lehrmeister.
  • Beharren Sie nie darauf, ein Ziel um jeden Preis erreichen zu müssen. Es muss mit einem vertretbaren Aufwand und ohne unzumutbare Härte für Ihre Mitarbeiter erreichbar sein.
  • Lassen Sie sich nicht in öffentliche Auseinandersetzungen mit Rivalen hineinziehen. Messen Sie sich vielmehr in respektvollem Wettstreit mit Ihnen. Sie könnten eines Tages auf ihre Kooperation angewiesen sein.

Ich finde alle zehn Grundsätze wichtig und sehe einen großen Bezug zur heutigen Situation vieler Wirtschaftsunternehmen. Ihr Unternehmen ist von Disruption bedroht? Handeln Sie nach Shackleton, probieren Sie neue Wege und kühne Visionen, aber planen Sie sie sorgfältig. Nehmen Sie Ihre Mannschaft dabei mit! Holen Sie sie im wahrsten Sinne des Wortes ins Boot! Es ist verrückt. Die Geschichte Shackletons ist so aktuell, wie nie.

Sie sind dabei, Ihre IT-Crew zusammenzustellen oder zu ergänzen? Sprechen Sie uns an, wir haben mit Sicherheit den passenden Experten für Sie – in Festanstellung, per Arbeitnehmerüberlassung oder als Freelancer.  Hier geht es zur top itservices AG.

 

 

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