Der Toaster im Bewerbungsgespräch

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11.12.15 17:12

Wie intelligent ist Ihr Kandidat?

Wer häufig Mitarbeiter einstellt, stolpert früher oder später über die Frage, wie man die Intelligenz bei Kandidaten feststellen kann, ich auch. Eine in Deutschland unpopuläre Frage, denn der Begriff „Intelligenz“ hat in Deutschland ein gewisses „Gschmäckle“. Ganz zu Unrecht, aber dazu später. Umso mehr freute ich mich, als ich einen interessanten Beitrag des Psychologen Tomas Chamorro-Premuzic fand, der neben Professor der Psychologie auch CEO von Hogan Assessments in London ist, einigen von Ihnen vielleicht bekannt als führendes Institut für Persönlichkeitstests und Assessments.

Intelligenz macht erfolgreich

In dem Beitrag stellt er die Frage, wie man Intelligenz am besten messen kann. Dabei fallen uns natürlich sofort IQ-Tests ein. Die wurden übrigens ursprünglich entwickelt, um Schulleistungen voraussagen zu können. Aber im Laufe der letzten hundert Jahre hat sich herausgestellt, dass die Ergebnisse auch geeignet sind, andere Erfolge vorauszusagen – auch solche, die mit Intelligenz auf den ersten Blick nichts zu tun haben, langlebige Beziehungen zum Beispiel, sozialer Status, Gesundheit oder künstlerisches Talent. Außerdem gibt es messbare Zusammenhänge zwischen Eigenschaften wie Risikobereitschaft, Umsicht oder Selbstkontrolle.

Und an dieser Stelle wird das Thema Intelligenz für uns als Recruiter oder Manager äußerst interessant. Natürlich bedeutet ein Zusammenhang noch lange nicht, dass es auch einen kausalen Zusammenhang gibt – das heißt, es ist eben nicht erwiesen, dass jemand vernünftige Risiken eingeht, WEIL er intelligent ist, sondern nur, WENN er intelligent ist. Aber das reicht uns ja – vorausgesetzt, wir wollen jemanden einstellen, der das tut.  Nun können wir nicht jedem Bewerbungsgespräch einen IQ-Test voranstellten. Das wäre erstens teuer, zweitens unattraktiv für viele Bewerber und drittens ist es unnötig.

Messbar? Ja. Spürbar? Auch!

Denn es gibt eine weitere Methode, um die Intelligenz unserer Gesprächspartner festzustellen. Und das ist – Intuition. Studien zeigen, dass unsere informelle Bewertung der Intelligenz anderer in engem Zusammenhang zu ihren IQ-Testergebnissen steht. So wurde bewiesen, dass wir, befragt nach der Intelligenz unserer engen Bekannten, oft richtig liegen oder nahe dran sind. Allerdings versagen wir leider, wenn es um unsere eigene Intelligenz geht – wir tendieren dazu, uns für intelligenter zu halten, als wir sind. Mir fallen spontan einige Beispiele dafür ein, aber da ich selbst ja auch gemeint bin, halte ich mich hier lieber zurück.

Aber wie kommen wir zu unseren Schätzungen? Gibt es aufschlussreiche Signale, die unsere Mitmenschen aussenden? Ja, gibt es. So werden Menschen, die offen für neue Erfahrungen sind, für fähig gehalten, schnell zu lernen und kritisch zu denken – und sind es meist auch. Emotionale Intelligenz, also die Wahrnehmung eigener und fremder Gefühle, gibt Auskunft darüber, wie effektiv jemand mit Stresssituationen umgehen kann. Eine gute Urteilskraft und Ehrgeiz wiederum sagen voraus, wie gut eine Aufgabe umgesetzt werden kann und wie hartnäckig jemand seine Ziele verfolgt.

Fragen Sie nach

Für Vorstellungsgespräche heißt das: Neben der reinen, ergebnisorientierten Arbeitserfahrung (Wie Sie hierüber das wichtigste erfahren, lesen Sie hier), macht es durchaus Sinn, ein Gefühl für die Intelligenz Ihres Gesprächspartners zu erlangen. Trauen Sie sich ruhig, Fragen zu stellen, die darüber Auskunft geben. Ich persönlich halte mich ja gern an die tatsächlichen Lebenserfahrungen meiner Gesprächspartner und frage nach konkreten Beispielen. „Welche Situation fällt Ihnen ein, in der Sie mit Ihrem Wissen ein Problem nicht lösen konnten? Was haben Sie gemacht? Wie ist es ausgegangen? Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?“ Antworten auf diese Fragen geben Aufschluss über Kreativität und die Fähigkeit, Netzwerke zu bilden. Oder „Warum haben Sie sich entschieden, zu kündigen? Die lange Reise zu unternehmen? Ihre Selbstständigkeit wieder aufzugeben?“ Was auch immer Sie im Lebenslauf Ihres Gesprächspartners finden, das auf große Veränderungen hinauslief: Fragen Sie, warum er das gemacht hat und wie es ihm dabei ging. Oder auch: „Wie ging es Ihrem Chef mit Ihrer Kündigung?“ Mit solchen Fragen erfahren Sie eine Menge über Offenheit und Empathie und damit eben auch über die Fähigkeit, Situationen kritisch zu hinterfragen oder mit Stress umzugehen.

Apple will es wissen

Ich möchte Ihnen aber nicht vorenthalten, welche Möglichkeiten es noch gibt, einen Eindruck über die Intelligenz Ihrer Bewerber zu erhalten. Kürzlich veröffentlichte die Handelszeitung Fragen von Apple, die Bewerbern dort gestellt wurden und offen gestanden: Ich bin froh, dass ich mich da so bald nicht bewerben werde. Nicht auf alle hätte ich sofort eine Antwort parat. Ich habe Ihnen einmal ein paar herausgegriffen:

  • „Was ist wichtiger: das Problem des Kunden zu lösen oder eine gute Kundenerfahrung zu schaffen? (Technikberatung für Kunden)“. Hierauf könnte ich sofort eine gute Antwort geben, aber auf die nächste Frage?
  • „Sie stellen ein Glas Wasser auf einen Plattenteller und lassen ihn immer schneller drehen. Was passiert zuerst: Rutscht das Glas vom Plattenteller, kippt es um, oder schwappt das Wasser heraus? (Maschinenbau)“
  • Oder hierauf: „Wie würden Sie einen Toaster testen? (Überwachung der Softwareentwicklung)“.
  • Wieder einfacher sind dann die folgenden Fragen:
  • „Erzählen Sie etwas, das Sie in Ihrem Leben getan haben, auf das Sie besonders stolz sind. (Softwareentwicklungsmanagement)
  • Sind Sie kreativ? Denken Sie sich etwas Kreatives aus. (Softwareentwicklung)
  • Wer ist Ihr bester Freund? (Spezialist für den «Family Room», in dem Kunden ihr Apple-Produkt erklärt bekommen)“

Allen Fragen gemein ist: Ihre Beantwortung gibt Auskunft darüber, wie jemand an Situationen heran geht, was ihm wichtig ist, wie einfühlsam oder hartnäckig er ist oder wie viel Mut er hat, etwas Ungewöhnliches zu denken.

Es geht um den Job, nicht um das Leben

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, wird sich sicherlich Widerstand in Ihnen geregt haben. Ihnen sind vielleicht Beispiele eingefallen, bei denen das nicht zutrifft. Sie denken etwa an Menschen mit höchstens durchschnittlicher Intelligenz, die es extrem weit gebracht haben und hoch intelligente Menschen, die in ihrem Leben auf kompletter Linie gescheitert sind. Natürlich ist das so, und zwar aus zwei Gründen: Der eine ist, dass es diverse Einflussfaktoren ganz außerhalb von Intelligenz gibt, die das Leben und seinen Verlauf gestalten. Außerdem neigen wir Menschen dazu, unsere eigenen Annahmen zu bestätigen, ungeachtet dessen, ob sie wahr sind. Wenn wir davon ausgehen, einen intelligenten Menschen vor uns zu haben, dann behandeln wir ihn auch so. Dennoch: Für bestimmte Jobs ist es einfach wichtig, Menschen mit Gestaltungskraft einzustellen. Das sind Jobs im kreativen Umfeld, aber auch solche, die mit vielen Unklarheiten verbunden sind. Und selbstverständlich gibt es Positionen, in denen eine hohe Stresstoleranz und ein intelligenter Umgang mit Druck notwendiger sind, als in anderen. Und dann ist es wichtig, eben diese Fähigkeiten auch zu erfragen. Hier geht es nicht um den generellen (Lebens-)Erfolg des Bewerbers, sondern um ganz konkrete Fähigkeiten für den von Ihnen zu vergebenen Job.

Übrigens, ich habe recherchiert: Die Frage mit dem Plattenteller lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die Antwort hängt von verschiedenen Einflussfaktoren ab, wie zum Beispiel der Höhe des Gefäßes, davon, wie voll es ist und von der Oberflächenbeschaffenheit des Plattentellers. War ja einfach.

Bildquelle: agsandrew / Shutterstock

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