Gastbeitrag: Karriereberatung in der IT
Für meine neue Serie „Karriereberatung in der IT“ freue ich mich, dass mir der Karriere-, Outplacement- und Verhandlungsberater Dirk Hassenstein für ein Interview zur Verfügung stand.
Auf diesen Beitrag werden in einigen Abständen noch weitere folgen, in denen es um Karriere- und Outplacementberatung in der IT aus der Perspektive von Beratern geht. Was macht IT-Experten bei der Gestaltung ihrer Karriere besonders? Worin unterscheiden Sie sich von anderen Arbeitnehmergruppen? Was macht erfolgreiche IT-Karrieren aus?
Manche Antworten haben mich total überrascht, mit anderen hatte ich gerechnet. Aber lesen Sie selbst!
HS: Womit tun sich IT-Experten in dem Karriereberatungsprozess besonders schwer?
DH: Der größte Unterschied zwischen IT-Experten und kaufmännischen Bewerbern liegt meiner Erfahrung nach in der Einschätzung und Wertschätzung ihrer eigenen Kompetenzen. Obwohl oft das Gegenteil der Fall ist, denken viele Kandidaten aus der IT ‚Das ist doch selbstverständlich, das kann doch jeder‘. Außerdem empfinden es IT-Experten oft ungewöhnlich, dass der Bewerbermarkt eben wie ein Markt funktioniert, also auf Angebot und Nachfrage basiert und der Bewerber wie ein Produkt ist, das beworben werden muss. Es fällt ihnen oft schwer, sich selbst zu verkaufen. Bis ein Programmierer oder ein Incident Manager sich eingesteht, dass er wirklich etwas Wertvolles kann, ist es für mich als Berater oft richtig harte Arbeit. Das ist für Projektleiter oder Vertriebler oft selbstverständlicher, die können das etwas besser.
Im Coaching erarbeite ich gemeinsam mit den Kandidaten zunächst eine Liste, in der festgehalten wird „Was kann ich?“: Fachlich im Bereich IT, fachlich außerhalb des Bereichs IT und persönlich. Dann sprechen wir über Lebenslaufstationen, darüber, worauf sie stolz sind, welche Erfolge sie erzielt haben und wodurch. Und wir gleichen das Selbstbild mit Fremdbildern ab. Schon nach relativ kurzer Zeit entsteht ein Kurzprofil über Kompetenzen, Fähigkeiten und Erfolge, das oft beeindruckend ist – auch und gerade für den Bewerber.
HS: Was haben erfolgreiche Bewerber gemeinsam?
DH: Eine hohe Motivation. Dabei ist zunächst gar nicht wichtig, ob diese von außen oder von innen kommt, Hauptsache der Bewerber ist innerlich in Bewegung und bereit, in einer Veränderung auch Chancen zu sehen. Das kann durch eine externe Motivation ausgelöst sein, zum Beispiel weil der Kandidat weiß, dass er droht, entlassen zu werden. Oder, idealerweise, weil er sich aus eigenem Antrieb beruflich verändern möchte. Diejenigen, die von Arbeitgeber oder Vorgesetzten teilweise über lange Zeit kritisiert oder sogar abgemahnt oder aus der Stelle gedrängt werden und die daraufhin ihre Energie verlässt, die tun sich oft schwerer. Denn Energie braucht man zwingend für den Bewerbungsprozess.
HS: Welches waren die größten Erfolgsfälle in der Beratung, die sie begleitet haben?
DH: Für mich ist Erfolg definiert durch zufriedene Kandidaten. Meine Aufgabe ist es, ihnen Anschub zu geben und den Prozess zu strukturieren, nachzuhalten, hartnäckig zu bleiben. Die Erfolge sind inhaltlich natürlich ganz unterschiedlich. Ich werde oft von Unternehmen beauftragt, als Teil der Aufhebungsvereinbarung zusammen mit den Mitarbeitern eine neue Beschäftigung für diese zu suchen, dann ist der gelungene Wechsel inklusive überstandener Probezeit der Erfolg. Liegt die Beauftragung vor der beschlossenen Trennung, kann auch ein interner Wechsel als Erfolg zählen, teilweise sogar der Verbleib auf der alten Stelle. In einem Fall zum Beispiel brauchte es am Ende nur ein klärendes Gespräch mit dem Kollegen. In einem anderen Fall wurde einem Kandidaten eine Stelle als Teamleiter angeboten, die er nach eingehender gemeinsamer Analyse seiner Führungsfähigkeiten dann nicht angenommen hat. Er ist heute froh, dass er als fachlicher Projektleiter arbeitet - und für Firma und Kollegen bzw. Mitarbeiter ist es sicher auch besser.
Insgesamt habe ich bisher drei Selbstständigkeiten mit hervorgebracht und einen Kandidaten habe ich darin bestärkt, eine Weltreise zu unternehmen. Diesem wurde gekündigt, er hat die Abfindung akzeptiert und sich mit der Reise einen Traum erfüllt, für den es in seinem Leben vielleicht keine zweite so gute Chance geben wird. Wir haben zusammen besprochen, wie er nach seiner Wiederkehr wieder einen Job bekommen kann und was er dafür vor und während der Reisen tun kann. Außerdem haben wir gemeinsam festgestellt, dass diese Reise eine für ihn ganz wichtige persönliche Bedeutung hat.
Und welches war der überraschendste Richtungswechsel, den Sie begleitet haben?
Das war eine IT-Projektleiterin, die in den sozialen Bereich gewechselt ist. Sie hat festgestellt, dass sie in der IT Welt nicht glücklich ist. Sie ist dann in ein völlig anderes Arbeitsumfeld gewechselt Aber auch der junge Mann, der die Weltreise unternimmt und den Jobverlust bewusst als Chance sieht, imponiert mir. Das waren schon sehr besondere Coachings mit überraschendem Ergebnis.
Eines möchte ich noch erwähnen. Vieles, was ich in meiner täglichen Arbeit tue, ist meiner Meinung nach eigentlich die Aufgabe von Vorgesetzten oder der Personalentwicklung innerhalb von Unternehmen. Hier sollten Gespräche darüber stattfinden, was ein Mitarbeiter kann, was er gern tut und wo im Unternehmen das zu finden ist. Das ist ein hilfreiches und konstruktives Instrument der Personalentwicklung und zudem ein wirtschaftliches. Oft habe ich das Gefühl, ich bin überhaupt oder seit langer Zeit der Erste, der diese Fragen stellt und so mit den Kandidaten spricht.
Ich bedanke mich herzlich bei Dirk Hassenstein für das äußerst interessante Gespräch!
Karriere-, Outplacement- und Verhandlungsberater Dirk Hassenstein
Unterstützung für Mitarbeiter bei der beruflichen Neuorientierung
Verhandlungsberatung für Unternehmen vor allem in Preis- und Konditionenverhandlungen.
www.der-verhandlungsberater.de
Topics: Karriere